Würde ein bekanntes Meinungsforschungsinstitut
eine Umfrage machen dazu, was Kindheit bedeutet, so erhielte es
wahrscheinlich
ein sehr divergentes Bild inhaltlicher Zuschreibungen. Aber in einem
wären
sich vermutlich alle einig: Kindheit ist eine Phase menschlicher
Entwicklung
mit eigenen Qualitäten und insofern klar unterscheidbar von
Jugend,
Erwachsenenalter und Alter. Wie gerne belächeln wir die Auffassung
früherer Zeiten vom Kind als kleinem Erwachsenen! Wie sehr
empört
uns die Handhabung in anderen Kulturen, in denen Kinder arbeiten
müssen,
statt lernen zu können! Weniger allerdings erregt uns der Bericht
über die Kinder unseres asiatischen Nachbarn, die nicht für
ihr
Überleben, sondern noch abstrakter: für ihre Zukunft lernend
arbeiten müssen!
Spätestens seit Ellen Keys Jahrhundert des
Kindes
steht für unsere Kultur fest, daß das Wesen von Kindheit
berücksichtigt
werden muß, wenn man beurteilen will, ob ein ganz bestimmtes
Verhalten
Erwachsener, ganz bestimmte Umstände Kindern zuträglich sind
oder nicht. Unser Bild von Kindheit ist unter Umständen
entscheidender
als die konkreten Bedürfnisse eines ganz konkreten Kindes. Auch
wenn
dieses lernbehinderte Kind unter seiner schulischen Situation leidet,
wir
lassen es nicht arbeiten und neues Selbstbewußtsein gewinnen,
weil
nun mal Lernen und nicht Arbeiten zur Kindheit gehört ...
Nun häufen sich aber in den letzten Jahren die
Meldungen über die Veränderung der Kindheit: Da ist von
Medienkindheit
die Rede, von neuer Selbständigkeit, von Entfremdung von der
unmittelbaren
Lebensumgebung und den Arbeitsverhältnissen, von zunehmendem
Konzentrationsmangel
und vielem anderen mehr. Wie sollen wir damit jetzt umgehen? Das
unumstößliche
Bild der Kindheit, der Maßstab, an dem sich alles andere messen
ließ:
verändert?
Grundsätzlich haben wir zwei
Möglichkeiten,
damit umzugehen.
1) Wir halten daran fest, daß unabhängig
von der inhaltlichen Zuschreibung Kindheit regulative Idee zu bleiben
hat:
Das hieße, daß auch die veränderte Kindheit zum
Regulativ
wird - die von Medienkonsum ("junk", wie es H. v. Hentig bei der
DGfE-Tagung
1998 treffend charakterisierte) geprägte Kindheit als Regulativ?
Die
erhöhte Gewaltbereitschaft als Regulativ? Das mag jetzt abwegig
klingen,
aber es wird doch allgemein gefordert, die Kinder auf die
veränderte
Welt von morgen vorzubereiten. Es fragt doch niemand, ob wir die Welt
so
wollen, wie sie beschrieben wird. Die Frage, die man überall
hört,
heißt doch bloß: Wie bereiten wir unsere Kinder optimal
darauf
vor?
2) Unsere sehr wohl inhaltliche Vorstellung von
Kindheit
bleibt Regulativ, die Veränderung der Kindheit ist eigentlich eine
Veränderung kindlicher Lebensumstände, die die konkrete
Verwirklichung
von Kindheit erschweren oder zumindest beeinflussen. Das bedeutet aber,
daß wir uns Rechenschaft darüber ablegen müssen, welche
Eigenschaften wir der Kindheit zuschreiben wollen und welche nicht. Der
bloße Verweis auf das Vorhandensein von Kindheit als Lernzeit,
Kindheit
als Spielzeit u.ä. reicht dann nicht mehr aus.
* * *
Die Ihnen hier vorliegende Bibliographie ist Ergebnis einer
systematischen
Literaturrecherche, vor allem in der Deutschen Nationalbibliographie
und
dem Verzeichnis Lieferbarer Bücher. Gesucht wurde unter dem
Stichwort
Kindheit; d.h. nicht alle Bücher, in denen es um Kinder geht, sind
hier erfaßt, sondern Bücher, in denen es um Kindheit geht
oder
die das Wort Kindheit im Titel tragen. Es handelt sich um 787
Literaturangaben,
nach Abzug der Mehrfacheinträge für verschiedene Auflagen.
In einem zweiten Schritt habe ich alle Literaturangaben systematisiert,
d.h. ich habe die Bücher nach den mir zur Verfügung stehenden
Angaben (neben Titel, Untertitel, Autoren auch Schlagworte, Reihentitel
etc.) verschiedenen Gruppen zugeordnet. Dadurch kommen manche
Literaturangaben
in mehreren Kapiteln vor.
Zunächst zur Gliederung der obersten Ebene:
Kapitel 1 versammelt Literaturangaben, die sich mit dem (abstrakten)
Phänomen Kindheit, um dieses Phänomens willen,
beschäftigen.
Dabei handelt es sich überwiegend um wissenschaftliche
Zugänge.
Allerdings habe ich auch Literaturangaben hinzugenommen, deren
Zugangsweise
nicht unbedingt wissenschaftlich genannt werden muß, sofern ich
den
Eindruck hatte, daß es sich um eine Auseinandersetzung mit dem
Phänomen
der Kindheit unter bestimmten leitenden Fragen geht.
In Kapitel 2 sind jene Literaturangaben zusammengefaßt, die sich
mit konkreten Kindheiten auseinandersetzen, das sind natürlich
insbesondere
Biographien, aber auch künstlerische und literarische
Aufbereitungen
und - das war mir wichtig - Arbeiten, die zwar keine Einzelschicksale
beschreiben,
aber dennoch durch ihre Fokussierung auf eine bestimmte geographische
Region
oder eine bestimmte Epoche ihren Interessensschwerpunkt von dem
Phänomen
Kindheit auf eine jener konkreten Bedingtheiten von Kindheit zu
verlagern
schienen.
Kapitel 3 endlich umfaßt die Angaben zu den Büchern, in
denen Einzelaspekte des Phänomens Kindheit bearbeitet werden. Es
gibt
auch bei der Anordnung der Unterkapitel eine innere Ordnung, da diese
aber
nicht streng durchzuhalten war, ist sie nicht in die formale Hierarchie
übernommen worden.
Kapitel 4 enthält Angaben zu Ratgebern, die für mich insofern
eine eigene Kategorie darstellen, als sie keinerlei systematisches
Bearbeitungsinteresse
haben, sondern "schon Erkanntes" Anderen ans Herz legen möchten.
Kapitel 5 enthält diejenigen Literaturangaben, die zwar das
Stichwort
Kindheit enthalten, aber eigentlich nur Einzelaspekte von Dingen
beschreiben,
die bei Kindern vorkommen, die sich also nicht mit dem Abstraktum
Kindheit
beschäftigen. Außerdem sind im Unterkapitel Sonstige Titel
diejenigen
Angaben zusammengestellt, bei denen eine systematische Einordnung zu
unsicher
gewesen wäre.
Ich habe darauf verzichtet, einen Index zu erstellen, da alle mir
wichtigen
Stichworte ohnehin in die Systematisierung eingegangen sind und
darüber
hinaus dem Buch eine Diskette beigegeben ist, die alle Angaben
enthält,
so daß jeder von Ihnen unter dem Stichwort suchen kann, das ihn
persönlich
noch interessiert.
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