Hecht, Susanne:
Zwischen Ambivalenz und Indifferenz. Zum filmischen Schaffen der Marguerite Duras. (Broschiert) Eitorf: gata 2002. |
Was ich mir wünsche ist (…), dass man sich daran erinnert, was eintreten kann, wenn es einem nicht gelingt, den anderen zu entdecken. Denn der andere muss entdeckt werden. (…) Und da es bei der Entdeckung des anderen verschiedene Grade gibt, vom anderen als ein mit seiner Umwelt verschmolzenes Objekt bis hin zum anderen als ein dem Ich ebenbürtiges, aber dennoch von ihm verschiedenes Subjekt, kann man durchaus sein ganzes Leben verbringen, ohne dass man die Entdeckung des anderen abzuschließen vermag (…).
Jeder von uns muss diese Entdeckung selbst wieder neu beginnen, die früheren Erfahrungen entbinden uns nicht davon; aber sie können uns lehren, welche Folgen das Verkennen hat.
(Todorov, Amerika, S.291.)
Unverdienterweise wurde den Regiearbeiten der Marguerite Duras immer
viel weniger Aufmerksamkeit geschenkt als ihrem literarischen Werk. Ihre
Filme kursierten in der Regel in geringen Kopiezahlen und waren nur in
ausgesuchten Kinos zu sehen.
Wer sich dem Duras’schen Filmwerk annähern möchte, muss sich
oftmals mit der miserablen Kopierqualität hausgemachter Fernsehmitschnitte
zufrieden geben, weil die Suche nach qualitativ hochwertigen Originalkopien
zur Odyssee wird. Selbst Veranstalter von Kino-Retrospektiven zum Thema
Duras wissen davon ein Lied zu singen… Der Ton knistert und knattert, das
Bild ist grobkörnig, die Pixel zittern, die Kontraste ähneln
verblichenen Fotos: der Anblick eines Fernsehers, dessen Bildröhre
in den letzten Zügen liegt. Das Publikum empört sich, verlangt
die Eintrittsgelder zurück. Wo sind die guten Zelluloid-Originale?
Das sich in Umlauf befindende Material selbst, die reine hardware, entwickelt
sich zum Mysterium – als wolle es eine Affinität zu den Filminhalten
herstellen. Und so wiederholt sich auf kuriose Weise die der Duras eigentümliche
Verschmelzung von Form und Inhalt. Die Form ihrer Filme ist der Inhalt,
der Inhalt ihre Form.
Die originäre Ausdruckskraft ihrer laufenden Bilder übersteigt
bei weitem die ihres literarischen Werks, potenziert sich in ihren Filmen.
Der Nouveau Roman und der Nouveau Nouveau Roman verwandeln sich in
Geräusche, Klänge, Stimmen, Farben, Choreographie, Rhythmus,
Bewegung und Montage.
Der literarische Text findet seine synästhetische Übersetzung
und unterscheidet sich darin so sehr von Filmadaptionen Duras’scher Texte
durch andere Regisseure, dass das Geheimnisvolle und immer Neuartige, Junge
der Duras sich erst in ihren Filmen recht entfaltet und allen sichtbar
wird, verstörend wirken mag oder betörend, belustigend oder beklemmend,
auffwühlend oder kalt lassend.
Die vorliegende Arbeit, Ende der 80er Jahre entstanden und hier ohne Änderungen veröffentlicht, versucht eine Annäherung an die Filme der Duras über die Theorien der französischen Neostrukturalisten. Sie liefert eine Beschreibung des gesamten Filmwerks in chronologischer Folge.
Wer sich mit den Filmen der Duras beschäftigen möchte und
sich vom allzu theorielastigen ersten Teil nicht schrecken lässt,
dem kann die kleine Studie möglicherweise hilfreiche Anhaltspunkte
bieten.
Susanne Hecht, Genua, April 2002 (Vorwort)
Buch: | ISBN 3-932174-23-2 | 14,98 Euro |
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Stand: 14.11.2002